[Marietta Hoferer] [Anne Schneider]
[Menja Stevenson]

Vernissage 15.09.2011 | 19:30 UHR |
Ausstellung von 16.09 bis 29.10.2011 |

Drei Künstlerinnen aus verschiedenen Generationen, die in den unterschiedlichen Gattungen Video, Fotografie, Skulptur / Plastik und Objektkunst arbeiten, bestimmen den Charakter der Herbstausstellung in der Galerie Gudrun Fuckner. [MEHR]

Menja Stevenson hat gerade das Studium an der Kunstakademie Stuttgart beendet. Sie ist inzwischen durch ungewöhnliche künstlerische Eingriffe in alltägliche Situationen und durch erste institutionelle Ausstellungen aufgefallen. (z.B.: Kunstmuseum Stuttgart, Sommer 2011). Der Alltag mit seinen Routinen, Regeln und Wiederholungen, aber auch mit seinen Zufällen und Absurditäten, wird in den neuen Arbeiten von Menja Stevenson zur Bezugsquelle. Im Video „Parasol“ von 2011 ist der Hauptdarsteller ein zusammengeklappter, vom Wind bewegter Sonnenschirm, der in Großaufnahme gezeigt wird. Jede vom Wind erzeugte Veränderung wurde von der Kamera akribisch dokumentiert, als ob es sich um das psychologische Minenspiel eines Schauspielers handeln würde. Neben den einfachen, unspektakulären Ereignissen und Handlungen, die um Haaresbreite an der Wahrnehmungsschwelle vorbeiziehen, zeigt das im intimen Landschaftsformat präsentierte Video „Solitude“ (2011) in der Black Box der Galerie, die Vorliebe der Künstlerin für skurrile Alltagssituationen und das Burleske. In diesem Video legt Menja Stevenson wie bei einem Landschaftsgemälde einen Ausschnitt fest und filmt ihn mit statischer Kamera über einen längere Zeitraum. Auch hier liegt die Ereignishaftigkeit des Films unter der Reizschwelle herkömmlicher Videoproduktionen. Die statische Einstellung, das durchdringende Vogelgezwitscher und die gesundheitsbewussten Jogger, die durch die Wiesenlandschaft laufen, könnten auch die mediale Ouvertüre zu einem Wellness-Seminar bilden. Wäre da nicht dieses nackte männlich Beinpaar, das sich immer wieder aus dem hohen Gras erhebt, kurz inne hält und dann wieder im Gras verschwindet. Diese in Intervallen auftauchende Freiluftübung irritiert und fesselt den Blick. Handelt es sich hier um eine besondere Gymnastik? Oder um eine neue erotische Praxis? Menja Stevenson überlässt die Ausdeutung des rätselhaften Vorgangs der Phantasie des Betrachters.

Marietta Hoferer ist in Süddeutschland geboren und lebt mit amerikanischem Pass in New York. Sie studierte Bildhauerei in Berlin, London und New York. Dass es sich bei ihren Arbeiten um ein anderes Verständnis von Bildhauerei handelt, das nicht mit einem opulenten Materialaufwand verbunden ist, zeigen ihre systematischen Untersuchungen, die an der Schnittstelle von Linie, Bildfeld und Raum angesiedelt sind. (...) Eine Quelle von Marietta Hoferers Kunst liegt in der Einfachheit und Klarheit von Linien, Strukturen und Mustern, die sie aus dem Alltag oder aus der Kulturgeschichte generiert.. Zu diesen Grundstrukturen gehört das abstrakte Gittermuster, auf dem die meisten Arbeiten Marietta Hoferers aufbauen. Zur Logik ihrer künstlerischen Vorgehensweise gehört, dass die Gitterstruktur bereits die Wahl des Formats und den weiteren Werkprozess bestimmt, wie beispielsweise die Breite der Tapes, die horizontal und vertikal über den Bildträger gezogen werden. (...) In der „Braille-Serie“, die ihren Namen von der Blindenschrift entlehnt, werden weiße Tapes zunächst in horizontaler und dann in vertikaler Richtung über das Bildfeld gezogen. Die Haltung, die mit dem Ziehen der weißen Klebestreifen über das Trägermaterial verbunden ist, kann auch als Substitut für die Fahrt mit dem Pinsel über die Leinwand betrachtet werden. Doch im Unterschied zur Flatness der Structural Paintings der 1960er Jahre, entsteht durch das horizontale und vertikale Tapen eine Licht reflektierende Struktur, die ähnlich der „Brailleschrift“ eine taktile Oberfläche besitzt. Doch im Unterschied zur Blindenschrift ist der Informationswert der reliefartigen Oberfläche gering und eher der Tautologie des Minimalismus verpflichtet: „It is what it is“ / You see what you see“. (...)

Für die in Wien lebende Bildhauerin Anne Schneider, die bei Michelangelo Pistoletto an der Akademie der bildenden Künste in Wien studierte, ist die bildhauerische Praxis mit einem experimentellen Materialgebrauch und der Bezugnahme auf einen relationalen Raumbegriff verbunden. (...) Referenzpunkt in Anne Schneiders bildhauerischem Konzept ist der wahrnehmende und produzierende, aber auch der zerstörende Mensch. Den Auswirkungen menschlichen Handelns spürt die Künstlerin in Architektur und Stadtplanung nach, sie sucht sie aber auch in den Herstellungs- und Gebrauchsspuren alltäglicher Artefakte (z.B. gestapelte Jutesäcke). Bei den im Seitenkabinett der Galerie Fuckner präsentierten Skulpturen dominieren Materialien moderner Containerarchitektur wie Eisen, Stahl und Beton: Metallstangen verspannen Decke mit Boden und betonen die vertikale Raumachse, sackartige Betongebilde hängen unbeweglich an einem Seilzug, während die vierte Seite eines unfertigen Metallrahmens, durch ein blaues Tuch ersetzt wird. Scheinbar geben sich Fehler und Unzulänglichkeiten menschlicher Produktion im intimen Ausstellungsraum ein freiwilliges Stell-dich-ein. Biomorphe Fragmente, die an Körperteile oder Organismen erinnern, blähen sich zu brutalistischen Betonstücken auf. Ein zarter Keim mutiert unter Anne Schneiders Händen zum schweren, unbeweglichen Klon, aus dem ein Eisenstab zur Decke strebt. Diese architekturkritischen Anspielungen, kehren auch in gefundenen Fotografien von Treppenaufgängen wieder, die mit rosa Farbe teilweise gelöscht worden sind. (...) Anne Schneiders Interesse am Einfrieren von Prozessen und Spuren dokumentieren die schlaffen Betonklötze, deren Ringen um Stabilität wie „gefreezt“ erscheint und auch die eingeschriebenen Farbspritzer und Malgesten auf den plastischen Arbeiten und Fotografien. © Susanne Jakob 9/2011 (Auszug aus der Eröffnungsrede am 15. September 2011) [ WENIGER]